"Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unser persönliches Wachstum und unsere Freiheit."
Viktor E. Frankel
Mit strahlendem Gesicht erzählte mir diese Woche eine Klientin, dass sie wandern war und dabei keine Knieschmerzen mehr hatte. Und dass sie im Alltag manchmal sachte beginnende Knieschmerzen bemerkt und sich dann sinngemäss in etwa sagt, „Es gibt keinen Grund, dass jetzt die Schmerzen kommen. Heute werden sie nicht kommen.“. Und tatsächlich verstärken sich die Schmerzen nicht, sondern verschwinden wieder!
Sie verbindet diesen Vorgang mit dem Ausdruck „positiv denken“. Welche Worte einem dafür passend erscheinen ist zweitrangig.
Die Kraft liegt darin, dass sie für sich selbst den Raum entdeckt hat, in dem sie ihre Reaktion auswählen kann!
Der Autopilot hätte vielleicht dazu geführt: Ah, Schmerz… – Mist, schon wieder das Knie! – Hört das denn nie auf?!? – Jetzt habe ich doch so gut aufgepasst. – Ach, jetzt wird er auch noch stärker. Auch an der Innenseite. – Was wird jetzt mit dem geplanten Ausflug am Wochenende?…
Eine solche Kettenreaktion ist schnell in Gang gesetzt und schwer zu unterbrechen, wird sie nicht gehemmt, bevor sie so richtig Fahrt aufgenommen hat.
Die Wahlmöglichkeit liegt ganz am Anfang.
Teilnehmerinnen meiner Feldenkrais Gruppenlektionen erahnen jetzt vielleicht, weshalb ich so viel Wert auf den Beginn einer Bewegung lege. Oder gar auf alles was sich organisieren muss, bevor die gewünschte Bewegung ausgeführt werden kann. Hierin liegt der von Frankel beschriebene Raum. Die Wahlmöglichkeit ob und wie gehandelt, also ob und wie bewegt werden soll.
Auch Thomas Fuchs assoziiert solche Vorgänge mit einem Raum und umschreibt folgendermassen:
„Freie Entscheidungen setzen die Fähigkeit voraus, Möglichkeiten als solche zu erfassen und imaginativ vorwegzunehmen; sie bewegen sich also in einem Möglichkeitsraum, im Raum einer offenen Zukunft. Dieser Raum wird eröffnet durch eine Hemmung.“ 1
Oder kurz gefasst – als erster Punkt einer Liste von Fähigkeiten, welche er als Voraussetzungen für Willensfreiheit erachtet – „…die Fähigkeit einer Person, ihre primären Impulse zu suspendieren.“ 1
Ruhiges Innehalten, aufmerksames Lauschen, sachtes Ausprobieren eines neuen Weges – es lohnt sich diesen Möglichkeitsraum für sich zu entdecken und etwas Zeit darin zu verbringen!
Es könnte sein, dass Ihre Schmerzen weniger werden. Es könnte sein, dass sie sich zufriedener, freier fühlen.
1 Fuchs, Thomas: Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie.